Pestbanner aus Perugia

Gonfalone di San Francesco al Prato
Benedetto Bonfigli und Mariano d´Antonio
1464

Perugia

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In Perugia (Region Umbrien) in der Kirche S. Francesco al Prato kann man ein besonderes  Zeugnis der Reaktion auf die Pestepidemie des späten Mittelalters in Italien bestaunen. Die sogenannte ‘Gonfalon’ wurde um 1464 für das Franziskaner Kloster in Perugia von zwei bekannten Künstlern der Region , von Benedetto Bonfigli und Mariano d´Antonio, bemalt. Kirchenfahnen dieser Art fanden vorwiegend ihren Ursprung in Italien (Toskana und Umbrien) in der Mitte des 15. Jahrhunderts und wurden in Bittprozessionen gegen die Pest mitgetragen. 

Ikonographisch lassen sich auf der Fahne mehrere pestbezogene Motive miteinander identifizieren: Im Zentrum steht würdevoll die ’Madonna della misericordia’ die im deutschsprachigen Raum auch als Schutzmantelmadonna bekannt ist. Ihr gekröntes Haupt wird von einem Nimbus umgeben, der das Grußwort des Veründigungsengels in sich birgt: „Ave Maria, Grazia Plena“. Ihr reich verzierter Mantel, an dem bereits einige Pestpfeile wirkungslos abgeprallt und zerbrochen sind, breitet sie über die schutzsuchenden Stadtbewohner aus Perugia aus. Rechts und links vom Betrachter knien Frauen und Männer und bitten den strafenden Gottvater, der sich oberhalb Mariens befindet, um Erbarmen. Maria wird zahlreich von Heiligen umgeben, die als Fürbitter für das schutzsuchende Volk stehen. 

Ganz außen links beginnt der Kranz der Heiligen mit dem Ordensbruder Bernhardin von Siena, fortgesetzt durch Franz von Assisi, Herculanus, den Bischof von Perugia, den Diakon und Märtyrer Laurentius mit seinem Attribut, dem Rost, den Hl. Bischof Ludwig von Toulouse, wahrscheinlich Bischof Konstantius und den Dominikanerquisitor St. Petrus Martyr. Geschlossen wird der Fürbittenkreis durch den bekannten Pestheiligen Sebastian, dessen Leib von zahlreichen Pfeilen durchbohrt erscheint.

Maria versucht den erzürnten Gottvater zu besänftigen, der mit drei Pfeilen (Pest, Krieg und Teuerung) auf die Bevölkerung zielt. Die beiden schwebenden Engel symbolisieren den Widerstreit des Richters  beziehungsweise die beiden Möglichkeiten, wie Gottes Urteil aussehen könnte: Der linke Engel, vom Betrachter aus gesehen, stellt die strafende Gerechtigkeit dar, der andere steckt sein Schwert in die Scheide und übt Barmherzigkeit aus. 

Der untere Bildabschnitt zeigt die Stadtansicht Perugias, mit wichtigen Bauwerken von Erkennungswert: Angefangen mit der Apsis von S. Francesco, über dem Palazzo dei Priori bis zum Dom der Stadt. Im Zentrum vor der Stadtmauer sieht man personifiziert den übermächtigen Tod als Gerippe mit Fledermausflügeln auf einem Berg von Pestleichen. 

Die Prozessionsfahne stellt ein bemerkenswertes Pestzeugnis dar, denn es vereint typische Elemente der Pestikonographie und geht auf die Frömmigkeitspraxis in der Pestzeit ein.

Manuel Alexander von Aufschnaiter

Jakubowski-Tiessen, Manfred / Lehmann, Hartmut (Hrsg): Um Himmels Willen, Religion in Katastrophenzeiten. Göttingen, 2003

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